2013

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Wieder in Kanada

Edmonton, Alberta

Ich bin in Edmonton, Alberta, Canada. Zu Besuch bei unserer großen Tochter und Familie.

Ich fühle mich wohl hier in Canada. Bei Minus 10 Grad Schnee schippen, tut mir gut. Der großen Tochter den Küchenschrank reparieren, macht Spaß. Selbst dem zweijährigen Enkelsohn die vollgeschissenen Windeln wechseln, ist kein Problem für mich. Aber zu Hause am Schreibtisch über das Leben grübeln und mich nur mit der Lyrik beschäftigen, das ist nicht gut für mich.

Es ist hier im Moment 7:17 Uhr in der Früh. Es ist noch dunkel draußen, weil wir hier einiges nördlicher sind. Minus 6 Grad zeigt das Thermometer. Etwa 20 cm Schnee liegt auf dem gefrorenen Boden. Für morgen ist ein Blizzard von Nordwest angesagt. Der soll etwa einen halben Meter Schnee bringen. Anschließend soll die Temperatur auf Minus 35 Grad fallen. Huch! Da friert es mich jetzt schon. Schön ist allerdings der stahlblaue Himmel tagsüber und das riesige Sternenzelt zur Nacht.

Eine schöne Adventszeit wünscht
Jörg

Dezember 2013

Es ist 5:45 Uhr in der Früh. Noch schläft das Haus. Es ist dunkel draußen. Im Licht der Straßenlaternen glitzert der Schnee. Die Temperatur ist minus 28 Grad. Da kein Wind geht, ist die Kälte nicht ganz so schlimm. Aber die Heizung läuft dennoch auf volle Pulle. Da es eine Luftheizung ist (wie üblich hier), ist die Luft immer sehr trocken. Die Haut wird rissig und die Nase trocken.
Heute ist Niklaustag. Rohith (6 Jahre alt) hat soeben um die Ecke geschaut und gefragt, ob der Nikolaus schon da war… Er weiß, dass Opa der Frühaufsteher hier in der Familie ist und auch sonst so einiges mitbekommt, was die (oft) gestressten Eltern nicht immer so mitbekommen. Obwohl meine große Tochter, wie ich gesehen habe, jeweils einen Schuh schon gut gefüllt hat (sogar meine Stiefel!!), habe ich Rohith wieder ins Bett gescheucht – mit der Behauptung, dass ich da soeben etwas gehört hätte. Mein verschwörerischer Gesichtsausdruck hat gereicht, um ihn zurück in sein Zimmer zu bringen. Ist ja auch eine Stunde zu früh.
Gestern waren wir bei einem Schulkonzert der Junior High School. Das sind die Schuljahre 7, 8 und 9. Die elfjährige Anna ist dort in der siebten Klasse und hat die Querflöte gespielt. Jede Klassenstufe hat ihr eigenes Orchester mit zirka fünfzig (!!!) Kindern. Ein riesengroßer Andrang in der gewaltigen Sporthalle. Und eine unglaubliche Disziplin der Schüler! Überhaupt Disziplin – da können die Lehrer in Deutschland nur davon träumen! Aber auch die Eltern! Am Schluss hat jeder seinen Klappstuhl wieder im Storage versorgt. Unglaublich, wie gut das alles funktioniert! Dabei sind alle Hautfarben hier vertreten. Viele Großeltern waren da, einige in den farbigen Trachten ihres Landes. Ich bin schon viel gereist. Aus meiner Sicht ist Kanada im Moment das toleranteste Land der Welt.
Mich wundert ganz und gar nicht, wieso Kanada neben Finnland bei der Pisastudie immer so gut abschneidet. In Deutschland wird immer gleich von Geld geredet und an strukturellen Problemen „rumgedockert“. Alles Käse. Nicht so wichtig. Der mit Abstand wichtigste Faktor sind die Lehrer. Die Lehrer hier haben große pädagogische Freiheiten, werden gut bezahlt und ( das Wichtigste!!!!) haben eine sehr hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

Heute ist wieder ein herrlicher Tag. Keine Wolke am Himmel und nur minus 18 Grad. Windstill. Damit ist es auch draußen durchaus erträglich. Außerdem freue ich mich natürlich, dass ich hier weiterschreiben soll und das euch meine Buchvorstellung gefällt. Ich habe auch schon eine Bestellung hier aus eurem Kreis. Hätte ich früher mal nicht gedacht, dass ich mich über so eine Kleinigkeit wie eine Buchbestellung derart freue.
Ich habe soeben ein Bild gemacht, das ich hier herein stelle. Ich wollte euch mal zeigen, welchen Blick ich habe, wenn ich über meinen aufgeklappten Notebook schaue. Ich sitze am Esstisch meiner Tochter und schaue in Richtung Norden in ihren Garten. Den rostrot gestrichenen Zaun, den ihr im Hintergrund seht, habe ich vor zwei Jahren im Sommer für sie gebaut. Es ist soeben 11:20 Uhr.

Sonntags sind Granny und Opa etwas entlastet, weil sich die jungen Leute selber um ihre Kinder kümmern. Der Lautstärkepegel überschreitet manchmal die 90 Dezibel – Marke. Jedenfalls fühlt es sich so an. Der zweieinhalbjährige Talin und der nächste Woche siebenjährige Rohith geraten sich manchmal ganz schön in die Haare. Da ich mir grundsätzlich vorgenommen habe, auf keinen Fall einzugreifen, wenn Mama und/oder Papa im Haus sind, geht mir das Geschrei manchmal schon ein wenig an die Nerven. Wenn ich allein mit den Jungs bin, habe ich NULL Probleme. Gleich die ersten drei Tage habe ich Beide einmal kräftig am Kragen gepackt und fest gehalten. Kein Wort dabei gesagt und ganz bös gekuckt. Dann bin ich wiedergekommen, habe sie in den Arm genommen und wir haben weitergespielt. Sie lieben mich und ich sie. Inzwischen genügt es, wenn ich sie streng anschaue. Solche Momente sind sowieso die Ausnahme. Normalerweise machen die beiden kleinen Jung und der große Junge den „Blödsinn“ geneinsam und meine Frau und meine Große regen sich dann darüber auf. Das macht mehr Spaß. Manchmal finde ich es gut, dass meine Süße hier nicht mitliest *grins*
Noch etwas zu den beiden Ausdrücken Granny und Opa. So sagen alle drei Enkelkinder. Ich rede (meist) Deutsch mit Ihnen, meine Frau Englisch. Also bin ich der Opa und sie die Granny. Die indischen Großeltern heißen Grandpa und Grandma.

Und ihr mögt mein Geschwafel wirklich??!?? Es ist nicht nur das Staunen darüber, hier einen Mann anzutreffen, der quatscht und quatscht und quatscht … ????

Heute Morgen hat es zwar nur minus 7 Grad, aber es weht ein ziemlich starker Wind. Hohe Wolken ziehen vorbei. Es riecht nach Schnee. Ich stehe an der Haltestelle und warte auf den gelben Schulbus. Zwei kleine Mädchen, etwa acht Jahre alt, und mein Enkelsohn Rohith um mich herum. Rohith macht ständig irgendwelchen Blödsinn. Es ist ganz offensichtlich, dass er den Mädchen imponieren will. Von wem er das bloß hat?!

Ausgerechnet heute hat der Bus Verspätung. Schon zwanzig Minuten stehen wir hier an der Bushaltestelle und frieren. Eines der Mädchen ist nicht warm genug angezogen und schlottert wie Espenlaub. Ihre Familie ist vor ein paar Monaten aus Myramar (früher Burma) nach Kanada eingewandert. Die aufgeweckte Kleine tut mir leid.

Ich überlege mir gerade zum Haus zurückzugehen, um die Kinder selbst zur Schule zu fahren, da kommt endlich der Bus. Die Busfahrerin, eine etwa fünfzigjährige Frau, fängt gleich an, sich zu verteidigen, bevor ich etwas gesagt habe. Sie faselt etwas von gesperrter Kreuzung. Dabei wollte ich nur Guten Morgen sagen. Mehr reden wir sowieso nicht miteinander. Sie ist keine besonders freundliche Frau. Aber vielleicht bin ich ja inzwischen auch nur von euch netten Damen hier im Forum zu sehr verwöhnt worden!?

Als ich zurück zum Haus komme, springt direkt vor mir ein Schneehase auf. Er hatte es sich ganz offensichtlich im Windschatten der großen Kiefer gemütlich gemacht. Diese Hasen sind wirklich weiß wie der Schnee. Nur die Schwanzspitze ist tiefschwarz.

Ich werde meine Tochter heute Abend fragen müssen, wie zu reagieren ist, wenn der Schulbus so viel zu spät kommt.

Also das freut mich jetzt schon, dass euch mein „Geschreibsel“ gefällt, auch wenn ich euch nichts Extravagantes hier biete. Ich erzähle aus dem Leben eines Opa *grins*

Im Moment bin ich allein mit den zwei Jungs. Anna spielt die Querflöte im Schulkonzert, und das gibt heute Abend eine Weihnachtsvorstellung. Der ganze Klan ist hin, nur wir drei „Männer“ nicht. Bin direkt ein wenig gerührt, dass meine Tochter mir inzwischen zutraut, auf ihre Jungs aufzupassen. Anfangs war sie sich nie so sicher, wer mehr „Blödsinn“ im Kopf hat -ihre zwei Söhne oder ihr „alter Herr“ (so nennt sie mich manchmal).

Der Kleine (die Eltern nennen in immer „Trouble“) war zahm wie ein Lamm. Wir haben noch eine Weile miteinander durch das große Wohnzimmerfenster in den Vorgarten geschaut. Eine ganze Weile haben wir Beide den Schneehassen angestarrt. Im Scheine der Straßenlaterne konnten wir ihn gut beobachten. Etwa vier Meter vor unserem Fenster am Fuß des großen Baumes hat er seinen Nachtplatz. Er war schon im Schlaf. „Bunny sleep“ sagte der Kleine sicher zehn Mal. Für mich der ideale „Aufhänger“, ihn ins Bett zu kriegen. Und so war es auch. Mit dem Kommentar „Talin sleep“ marschierte er schnurstracks in sein Bett.

Rohith ist heute nicht zur Schule gegangen. Er hatte in der letzten Nacht erbrochen und starken Durchfall gehabt.. Im Laufe des Tages ging es ihm aber wieder besser. Aber heute Abend ist er nicht einmal halb so quirlig wie sonst. Er mag es, wenn ich ihm vorlese. Das haben wir getan. Und vor zehn Minuten hatte er noch einen Einfall. (Er hat öfter sehr abrupte und teils komische Einfälle.)

Er wolle das Bild mit den vielen Alligatoren sehen, „wo wir über die Brücke gefahren sind“. Ich wusste, dass meine Frau vor ein paar Tagen mit ihm Bilder von unserer Reise angeschaut hatte. Mit seiner Hilfe fand ich das Bild schließlich auch auf meinem Computer. Es war auf unserer Reise durch Brasilien im Pantanal. Die Trockenheit war derart groß, dass auch die Alligatoren nichts zu fressen hatten. Ich hänge die beiden Bilder noch an. Das passt jetzt zwar nicht zu der kanadischen Winterlandschaft. Aber passen muss hier ja auch Nichts.

Als Rohith vorgestern vom Bus heimkam, hatte er einen Plastikbeutel mit einer bräunlich grünen Flüssigkeit in der Hand. Es dauerte eine Weile, bis ich zwischen seinen Worten „Ich musste erbrechen“ und dem grün gelblichen Plastikbeutel einen Bezug hergestellt hatte. Offensichtlich hatte ihm die Busfahrerin diesen Plastikbeutel gegeben. Meine Tochter hatte diesen ominösen Beutel vor die Hintertür gelegt. Nach drei Stunden hätte man damit Jemanden totschlagen können. Bei minus 22 Grad ja auch nicht verwunderlich.

Jedenfalls ging es meinem Enkelsohn recht bald wieder deutlich besser. Ich hingegen hatte mir offensichtlich das Gleiche eingefangen. Den ganzen gestrigen Tag ging es mir beschi… Fast zwei Jahre lang rein Garnichts gehabt. Kaum komme ich hierher, kriege ich die komischsten Krankheiten. Nach einer sehr unruhigen Nacht fühle ich mich aber heute wieder deutlich besser. Krankheit für einen Tag habe ich auch noch nie erlebt. Immerhin habe ich gestern sogar erbrechen müssen.

Laut meiner Tochter soll Rohith aber noch nicht wieder in die Schule, obwohl er heute Morgen auf mich putzmunter wirkt. Also bin ich allein zur Bushaltestelle gelaufen, um der Busfahrerin Bescheid zu geben. Die jüngere der beiden Birmesenmädels fror so erbärmlich, dass sie schlotterte und bitterlich weinte. Ich wärmte ihre eiskalten Händchen in meinen warmen Pranken, und bald beruhigte sie sich. Der großen Schwester habe ich gesagt, dass Mama ihr mehr anziehen soll. Wie so oft, war der Bus auch heute wieder später.

Ich entschuldigte Rohith und fügte spaßeshalber an, dass er halt nicht genug deutsches Erbgut hätte. Das fand ganz offensichtlich nur ich lustig. Diese komische Busfahrerin verzog keine Miene.

Ich muss gerade darüber sinnieren, wie viel härter die Situation vor nicht einmal einem Jahr am Licancabur in Bolivien war. Mein Gedicht „trotzig“, das ich im Februar auf meinen Blog gestellt habe, hat als einziges keinen Kommentar bekommen. Und jetzt berichte ich euch hier Zeilenlang über Wehwehchen und Kinderkram. Die Dinge sind relativ.

Vielleicht mache ich mir über „so etwas“ auch nur zu viele Gedanken, weil ich Angst habe, älter zu werden.

In Canada kommt am 25.12. Santa Claus und bringt am Morgen die Geschenke. Wenn ich dazukomme, erzähle ich euch hinterher noch etwas mehr. Hier erst mal der Flieger, in dem er an seinem Logistikzentrum am Norpol landet. Es ist der North Pole Flight 2412.

(Um Lästereien zuvorzukommen: Nein, wir arbeiten nicht für Air Canada, aber wir fliegen mit denen seit über 40 Jahren.)

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North Pole Flight 2412

Sitze schon seit 6:00 Uhr hier am Computer. Auch jetzt um 8:00 Uhr rührt sich noch nichts im Haus. Auch die beiden kleinen Jungs sind gestern Abend spät ins Bett. Nicht einmal die Kaffeemaschine hat Irgendjemanden geweckt. Und so sitze ich wieder mal am Rechner, die dampfende Tasse vor meiner Nase. Wie ihr sicher merkt, sitze ich sehr oft am Computer. Ich staune auch.

Habe soeben eine E-Mail aus El Calafate in Argentinien bekommen. Ein ganz nettes Schweizer Paar, mit denen wir letztes Jahr in Cusco, Peru, Weihnachten gefeiert haben. Sie hätten so oft an uns gedacht die letzten Tage. Sie hätten schon Heimweh nach der Schweiz. Aber wir seien ja jetzt bei unseren Kindern in Kanada. Das sei sicher schön!

Stimmt das? Es gibt mehrere Antworten. Eine davon lautet: Mist, dass ich wieder mal Zeit zum Grübeln habe. Für so einen wie mich ist Grübeln nicht gut. Andererseits ist es schön, dass ich hier plappern kann. Offensichtlich lest ihr ja das Zeug.

Also bin ich nun glücklich oder nicht? *grins* Monika ist auf jeden Fall schuld, dass ich sehr aufgewühlt bin. Ihre Geschichte „Und manchmal gab es auch Orangen“ hat in mir heftige nostalgische Eruptionen verursacht.

Unglaublich, wie mich deine Geschichte berührt hat, Monika.

Dass muss auch an der Umgebung liegen. Ich meine nicht (nur) das fremde Land, nicht die Kälte und den Schnee.

Ich denke an das indisch-kanadische Umfeld, das sich so rührend Mühe gibt, das christliche Weihnachtsfest zu begehen (Erst geht es aber in den Sikh-Tempel *grins*)

Ich denke an die lutherische Kirche in Claußnitz, wo ich getauft wurde.

Doch da ist heute Morgen auch Freude. Heute Abend werde ich neben meiner großen Tochter in der Kirche stehen.

Seit sehr langer Zeit wieder einmal. Ich weiß nicht wo. Aber das ist auch nicht wichtig. Aus dem Telefonbuch hat sie eine Kirche ausgesucht. Sie tut es, weil sie weiß, wie sehr ich es mir wünsche.

Und in vier Tagen kommt unser Sohn mit Familie aus Toronto. Das Baby ist inzwischen sechs Monate alt. Bald werde ich es zum ersten Mal in den Armen wiegen können.

So – die Jungs sind wach. Opa muss auf die Bühne.

Bis später.

Meinen Beitrag beginne ich heute wieder einmal mit einem morgendlichen Lagebericht. Es ist im Moment genau 7:00 Uhr morgens. Heute nur minus 4 Grad. Leichter Schneefall. Absolute Ruhe im Haus. Meine Hoffnung heute ist, dass dies auch eine ganze Weile so bleibt. Denn alle, auch die beiden Jungs, sind gestern erst nach 22:00 Uhr ins Bett gekommen. Ab und zu hatte ich allerdings den Eindruck, der Kleine schläft im Stehen ein.

Heute ist hier Boxing Day. Verkürzt gesagt ist das DER Einkaufstag des Jahres. Aber der Reihe nach.

Heilig Abend ist hier nicht groß was los. Für mich war es etwas ganz besonderes. Ich bin seit drei Jahren das erste Mal wieder in einer Kirche gestanden, flankiert von meiner Frau und meiner großen Tochter. Meine Große hatte in dieser Millionenstadt die Kirche ausgesucht, in der vor Jahren unser Sohn geheiratet hat. (Die United Church-eine evangelisch-reformierte Kirche) Dann war da auch noch die gleiche Pfarrerin, die unseren Sohn getraut hat. Welch eine schöne Überraschung! Ich war sehr bewegt.

Am 24. waren so um 22:00 Uhr schon Ruhe im Haus. Dafür ging der Krach am nächsten Morgen um 4:00 Uhr morgens schon los. (Wie ihr sicher wisst, ist die Bescherung in den angloamerikanischen Ländern am 25.12. morgens.) Der Vater hat dann noch einmal für Ruhe gesorgt. Um 6:00 Uhr ging dann alles wieder los. Kein Geschrei, aber ein Getapse hin und her. Da bin ich dann aufgestanden und hab mir meinen Kaffee gemacht.

Am 24. hatten die Eltern alle Geschenke sehr aufwendig in Pakete verpackt und unter den Christbaum gelegt. Immer wieder huschten die beiden Jungs an der Küche vorbei zum Baum ins Wohnzimmer. Noch einmal gelang es mir die Beiden in ihr Zimmer zu verbannen. Meine „Drohung“ Santa Claus könne sonst noch einmal kommen und alles wieder mitnehmen, hat mir der Siebenjährige nicht so richtig abgenommen. Aber sie blieben beide in ihrem Zimmer.

Um 8:00 Uhr ging es dann los. Jeder MUSSTE im Schlafanzug kommen – auch Opa. Dann wurden die Pakete geöffnet, immer der Reihe nach. Da achteten die Eltern streng darauf. Das ganze Prozedere dauerte fast drei Stunden. Anschließend bereitete der Schwiegersohn ein deftiges kanadisches Holzfäller-Frühstück, mit Speck und Eiern. Das war echt Klasse.

Am frühen Nachmittag war dann wieder wirklich Ruhe im Haus, sodass selbst Opa seinen obligatorischen Mittagsschlaf in Ruhe halten konnte.

Am Spätnachmittag ging es dann ans andere Ende der Stadt, wo in dieser riesigen indischen Familie Weihnachten gefeiert wurde. Dass die alle (nicht mehr praktizierende) Sikhs sind, hatte ich euch schon erzählt. Es gab ein großes Buffet. Die Sachen waren köstlich, auch wenn ich mir diese komischen Namen nicht merken konnte. Am meisten aber hat mich beeindruckt, wie höflich und lieb die alle zueinander waren – auch die Kinder!!!! Die eine Tante ist geistig sehr stark behindert. Wie lieb und ungezwungen diese etwa fünfzigjährige Frau von Allen, gerade auch den Kindern, behandelt wurde, hat mich stark beeindruckt. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass ich in mir selbst schon einige -sagen wir mal- komische Gefühle spürte. Na ja, renitente junge Männer waren schon immer eher „mein Fall“.

Für mich war es ein unglaublich interessanter Abend. Meine Meinung war gefragt (Dass ich gerne im Mittelpunkt stehe, wisst ihr ja schon lange *grins*) Immer und immer wieder habe ich gestaunt, wie gebildet und wie gut informiert diese Leute sind. Der Onkel z.B. ist zirka zehn Jahre älter als ich. Er war Professor für Geschichte in Delhi. Der Bruder von meinem Schwiegersohn leitet das Kraftwerk von Red Deer, der drittgrößten Stadt der Provinz Alberta.

Bei den Fragen musste ich übrigens öfter passen. Nur ein Beispiel: „Welchen Einfluss/Rolle hatten die Künstler in der Weimarer Republik?“ Oder: „Stimmt es, dass die Deutschen so viel jammern, obwohl sie die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt sind und das beste Gedundheitssystem der Welt haben?“ Mir hat der Kopf geraucht wie schon lange nicht mehr, sage ich euch!

Was mir gerade einfällt: Meine Schwägerin musste zwei Monate auf ihr MRT warten. Das ist schnell hier in Kanada. Weil sie bei der Polizei ist, ging es so schnell. Als wir letztes Jahr nach Hause kamen, war meine Frau wegen ihres schmerzenden Knies am nächsten Tag in der Röhre.

Also jedenfalls war es ein wunderschönes Fest gestern Abend. Einmal mehr bin ich begeistert von diesem Land (abgesehen vom Klima *grins*) und den Kanadiern. Mich wundert nicht mehr, warum MultiKulti in Canada so gut funktioniert. Sorry, in die Politik wollte ich jetzt eigentlich nicht kommen.

Noch ein Ausblick, auf den ich mich wahnsinnig freue. Vor wenigen Minuten ist in Toronto ein Flugzeug gestartet mit dem Ziel Edmonton, Alberta. Fünf Stunden dauert der Flug! So groß ist Kanada! In dieser Maschine sitzen unser Sohn, seine Frau und Tori. Das kleine Mädchen, das inzwischen ein halbes Jahr alt ist, haben wir noch nie in den Armen gehabt, immer nur am Bildschirm gesehen. Und ich sage euch, den Computerbildschirm küssen, ist ziemlich ernüchternd!

Gerade ist auch meine Frau schon (!!!) aufgewacht. Ich werde sie nicht fragen: „Warum?“

Ich weiß es. In ein paar Stunden geht’s zum Flughafen.

ICH jedenfalls werde zuerst meinen Sohn in den Arm nehmen. Es wird ein deftiger kanadischer Bear Hug werden. Er wird versuchen, seinen alten Vater auszuheben. Das wird ihm nicht gelingen ….

Dann werde ich meine Schwiegertochter ganz vorsichtig in den Arm nehmen (Ihr wisst schon, die von der Ontario Police!)

Und zum Schluss bekomme ich wahrscheinlich die Kleine in den Arm gelegt.

Da werden mir meine Hände wieder viel zu groß sein und ich werde mich selbst innerlich mit allen mir zur Verfügung stehenden Worten beschimpfen, doch nicht so sentimental zu sein.

Mist, ich glaube ich hätte einen Absatz früher aufhören sollen …