2015

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16.April 2015 – Wie ich die Zeit einteile?
Nun, ganz einfach: Es ist „Vier Bypässe und eine Herzklappe“ später.

Mein schönstes Geburtstagsgeschenk: Familientreffen bei Mark.
Alle sind sie gekommen. Unsere drei Kinder mit ihren Liebsten.

2015

Die Zehn-Prozent-Nische

90% aller Herzprobleme werden mit Stands gelöst. Meine Hoffnung, nicht zu den zehn Prozent zu gehören, wo eine schwere Operation am offenen Herzen erforderlich wird, haben getrogen. Bei der ersten Visite mit dem Professor nach der OP ist meine Frau dabei. Leicht zerknirscht sinniere ich:
„Tja, jetzt bin ich doch bei den Zehn-Prozent dabei.“

Sagt meine Frau zu dem Mann:
„Herr Professor, Sie müssen wissen, dass mein Mann sein Leben lang die Nischen gesucht hat. Jetzt hat er halt die Zehn-Prozent-Nische.“

Mir bleibt nur noch hinzuzufügen:
„Herr Doktor, jetzt haben Sie mitbekommen, warum ich diese Frau auch nach 45 Jahren noch so sehr liebe.“

Mein stärkstes Medikament

Dr. Nilson ist mir sehr sympathisch. Ich habe ihm schon oft von „meiner Kanadierin“ vorgeschwärmt und ihm auch eingestanden, dass ich manchmal sehr nahe „am Wasser gebaut“ bin.

Wir treffen Dr. Nilson zufällig im Flur. Ich stelle ihm meine Frau vor. Dann sage ich: „Herr Doktor, meine Frau ist mein stärkstes Medikament.“ Sie lächelt ihn an und fügt hinzu: „Ja, aber er sollte es nicht ständig verwässern!“

Still Alice – welch ein Film!

Julianne More – welche eine großartige Schauspielerin.


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Sie hat ihren Preis wirklich verdient.

2014

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Die drei Lieblinge von Marjorie und Jörg

2014

Der Beinah-GAU

Hilfe ich will zurück in meinen Landcruiser. Nach Südamerika. In die Einsamkeit des Altiplano. Meine Nerven liegen blank.

Hier die Ereignisse von gestern Morgen. Ich muss sie in der Gegenwartsform erzählen, denn in mir ist die Geschichte noch keine Minute älter geworden.

Heute läuft alles anders als üblich. Alles total verkehrt. Die Ereignisse tragen bereits eindeutige Merkmale eines GAU, eines Super-GAU.

Der Einzige, der im Moment immer noch Bombenlaune hat, ist Talin.

Dieser Dreikäsehoch, den sein Vater nur „trouble“ nennt.

Dieser kleine Mann, der die Frauenwelt der Altersgruppe 0 bis 100 in eine schmachtende, verzückte Laute ausstoßende Einheitsmasse verwandelt.

Der Zweieinhalbjährige, der bereits in diesem zarten Alter nicht nur weiß, dass er gut aussieht, sondern dieses Wissen sogar gezielt einsetzt.

Dieser Knirps, der seinen chaotischen Bruder in Nullkommanix bis zur Weißglut reizt.

Dieser kleine Bruder, der seine zehn Jahre ältere Schwester in den gleichen Zustand versetzt und dafür nur wenige Minuten länger braucht.

Dieser hochintelligente Kerl, der sich mit seinem Vater außerordentlich spannende Duelle liefert, die für jeden Soziologieprofessor das ideale „field material“ wären.

Dieser kleine Kerl, der mit seinen großen, verstehenden Augen den Wutausbruch seiner Mutter zunächst stoppt, und dann nur Sekunden später durch das leise und fragend gesprochene Wort „Mami?“ eine kussbereite Atmosphäre zu schaffen vermag.

Dieser Junge, der so wunderschön traurig schauen kann.

Dieser junge Mann, der so huldvoll gucken kann, als hätte er soeben irgendeine Sinfonie von Beethoven gespielt.

Dieser gewinnend lächelnde sunny boy, der sich innerhalb von Minuten in eine Sirene verwandeln kann, die es an Lautstärke mühelos mit den Einsatzfahrzeugen der kanadischen Polizei aufnehmen kann.

Auf diesen Talin, meinen Enkelsohn, bin auch ich stolz! Vielleicht ist das Wort „glücklich“ angebrachter. Nun wollt ihr sicher wissen warum? Dazu müsst ihr euch zunächst vergegenwärtigen, dass ich für meinen Enkelsohn Luft bin, wenn sein Vater anwesend ist. Das finde ich durchaus in Ordnung. Ist die Mutter im Haus, agiert er differenzierter. In diesem Fall greift er auf mich zurück, wenn es in seine Strategie passt. Sonst ignoriert er mich. Auch diese Sachlage ist für mich relativ einfach zu handhaben. Sie lautet: „Sind die Eltern anwesend, ist der Junge für mich Luft. Ich höre nichts. Ich sehe nichts.“ Funktioniert bestens.

Grundlegend anders sieht die Sache aus, wenn ich mit ihm allein bin. Dann kommt meine einfache Formel zum Tragen. Sie lautet: „Nicht mit Opa!“ Mein erster Satz ist immer der gleiche. Er lautet: „Opa is the Boss.“

Schon am zweiten Tag hat er das nachsagen können: „Opa Boss“. Geändert hat das nichts. Ich drehe ihm den Rücken zu und er macht, was er für richtig hält.

Nach ein paar Tagen habe ich versucht, meine Methoden etwas zu ändern und zu verfeinern. Mehr so wie seine Eltern das machen. Alternativen anbieten, damit der Junge sich entscheiden kann. Nicht zehn Möglichkeiten, ausgebreitet in einem Zehnminutengespräch, wie Mama und Papa das machen. Zwei klare Vorgaben mit Entscheidungsspielraum innerhalb von fünf Minuten. Ich bin mir meiner Sache sicher.

Doch auch darauf hat er sich schnell eingestellt: Ich brauche meine Stimme nur anheben, da sagt Talin schon „OK“ oder „OK Opa“. An seinen Handlungen ändert das nichts.

Auf eine griffige Formel gebracht: „Theoretisch stimmt er mir grundsätzlich zu. In der Praxis macht er, was er für richtig hält.“

Das Training zum „Bitte sagen“ hat er auf eine ökonomische Art abgekürzt. Wenn er etwas will, sagt er inzwischen immer sofort „please, thank you“. In einem Stück. Wozu so ein langes Prozedere, wenn man seine eigene Stimmgewalt genau kennt!

Zurück zum „Beinah-GAU“, wie ich ihn inzwischen abschwächend nennen will. Denn Opa ist mit einem blauen Auge davon gekommen.

Um 6:00 Uhr morgens trinke ich in Ruhe meinen Kaffee und überlege, was wohl dieser Tag bringt. Heute ist für die Kinder der letzte Schultag. Für Rohith ist heute „Pyjamatag“, so verlautete meine Tochter gestern Abend. Ich traue mich nicht nachzufragen, was ein „Pyjamatag“ ist.

Gerade will ich dieses ominöse Wort googeln, da schreit der Kleine. Ich packe ihn aus dem Schlafsack, damit sein Bruder weiterschlafen kann und gehe in die Küche. Die kurze Geruchprobe ergibt: Saubere Windeln. Den dringenden Ratschlag meiner Frau, dem Kleinen beim Aufstehen sofort auf den Potti zu setzen, missachte ich, um in Ruhe meinen noch einigermaßen heißen Kaffee zu Ende zu trinken. Ich hasse lauwarmen Kaffee.

Drei Schluck Kaffee und einen kurzen Zeitungsabschnitt später schreit der Kleine: „Opa, pupu“ Genau wie ich es ihm beibringen will. Freudig springe ich auf und eile mit lobenden Worten auf den Lippen meinem tollen Enkelsohn entgegen.

Auf halbem Wege schlägt mir ein Gasgeruch entgegen, der im ersten Weltkrieg nicht schärfer gewesen sein kann. Ich erkenne blitzartig: „Es ist zu spät.“ Meinen frischen Kaffee befördere ich ins gedankliche Jenseits und tue meine Pflicht.

Seine gute Laune auf dem Wickeltisch stört mich. Missmutig fummle ich an dem blöden Verschluss dieser noch blöderen Windel herum. Irgendetwas stimmt diesmal nicht. Aber das ist mir jetzt schei … egal. Ich will mir einen frischen Kaffee brauen. Wird schon gehen. Der Kleine beschwert sich nicht.

Es ist drei Stunden später. Unsere Tochter kommt kurz nach Hause, um Talin zum Arzt mitzunehmen. Routineuntersuchung. Alles zwischen Tochter und den Eltern abgesprochen. Aber unser Mädel ist wie so oft in Eile. Die Geruchsprobe meiner Frau (die hat die bessere Nase!) hat vor zehn Minuten ergeben: Sauber Luft, saubere Windeln.

Doch die saubere Luft ist Vergangenheit. Selbst ich rieche es. Es stinkt wieder wie in den Ardennen. Talin hat die Windeln voll. Missmutig beginnt unsere Große damit, ihren Sohn wieder auszuziehen, dass Angebot meiner Frau ausschlagend.

Plötzlich zerreißt ein nicht zu Widergabe geeigneten Fluch die friedliche Atmosphäre des Hauses. Die unmittelbar darauf folgende Frage zerschneidet den Raum und paralysiert mich:
„Wer hat heute Morgen Talin die Windeln gewechselt?“

Die etwas weicher vorgebrachte zweite Frage: „Papa, du? Oder?“ bedarf meiner Antwort nicht. Ich bin zu einer Antwort in diesem Moment auch noch nicht fähig. Die Erinnerung an den „klemmenden Verschluss“ heute Morgen löst eine Gedankenlawine in meinem Kopf aus, die ich nicht bewältigen kann.

„Mama hilf mir bitte. Papa hat die Windel verkehrt rum angezogen. Jetzt hat Talin auch seine Hosen voll. Meine Bluse muss ich auch wechseln.“ So die Tochter zur Mutter. Bei der Rückkehr meiner Frau in die Küche, stammle ich nur verständnislos: „An ihrer Bluse bin ich aber nicht schuld, oder?“

Selten haben die Worte meiner Frau einen so tröstlichen Unterton wie in diesem Moment: „Doch Schatz. Sie hat Talin auf ihrem Arm balancierend zum Wickeltisch getragen. Und seine Hosen waren wirklich ziemlich voll.“

Als dieser Tornado durchgezogen und meine Tochter aus dem Haus gegangen ist, lächelt mich meine Frau an und sagt:
„Mach dir nicht so viel Gedanken. Ich konnte ausschlafen heute Morgen. Und das war schön.“ Manchmal ist sie richtig lieb mit mir. Ich entschließe mich, das Wort Super-GAU in Beinah-GAU umzuwandeln.

Als mich meine Tochter am Abend fragt, ob ich Talin noch einmal für zwei Stunden übernehmen könne, hat ihre Stimme einen so seltsamen Klang und ihr Gesicht zeigt eine so ungewohnte Milde, dass ich mir wie ein Alzheimerpatient im Anfangsstadium vorkomme.

„Ich mache Talin fertig und stecke ihn ins Bett“. Du musst nichts anderes machen, als noch „Gute Nacht“ zu ihm sagen. Leicht gereizt entgegne ich ihr, dass ich diese beiden Worte schon noch hinbekommen werde.

Soeben habe ich die Tür zu Talins Zimmer geschlossen. Zum ersten Mal hat der Kleine drei Worte hintereinander gesagt: „Opa Talin friends!“

Es ist gut, dass Niemand mehr da ist, der meine Augen sehen kann. Ich gehe zum Kühlschrank, hole mir ein Bier, setze mich in den großen Sessel ins Wohnzimmer, lösche das Licht und starre hinaus in das winterliche Kanada.

Ich bin im Land meiner Jugendträume, eingebettet in eine unglaubliche, eine phantastische Familie. Unter der Straßenlaterne sehe ich die Schneeflocken tanzen. Glück? Nein das Wort „Glück“ ist zu schwach. Ich weiß, dass es mehr als das ist. Entweder ich heule jetzt oder ich schreibe ein Gedicht.

Zum „Glück“ fällt mir dann doch eine dritte Möglichkeit ein. Ich leere das Glas Bier in einem Zug und denke: „Ein deutsches Bier im Haus. Das ist Glück!“

Wir sind zurück aus der Einsamkeit des kanadischen Winters. Im Moment sind wir bei meiner Schwägerin in Calgary. Von ihrer Terasse aus hat man eine wunderbare Sicht auf die Rocky Mountains. Die Berge sind nur zirka 90 km entfernt. Edmonton, die Hauptstadt der Provinz Alberta, liegt viel weiter von den Bergen entfernt – etwa 450 km in östlicher Richtung.

Es ist minus 28 Grad heute Morgen um 11:00 Uhr. Etwa 20 cm Neuschnee. Keine einzige Wolke am Himmel. Das Blau des Himmels ist das tiefste Blau, das ich je gesehen habe. Was mich immer wieder irritiert ist der Sonnenstand. Es ist, als würde bei uns in Deutschland die Sonne gerade aufgehen. Dabei ist es hier gleich Mittag. Aber weil wir viel weiter nördlich sind, steigt im Winter die Sonne überhaupt nicht höher. Da sie aber sehr hell strahlt und der Schnee die Strahlung reflektiert, ist es sehr hell. Da es windstill ist, ist es angenehm.

Wir haben soeben unseren Sohn mit Frau und Kind zum Flieger nach Toronto gebracht. Die kleine Tori (sechs Monate alt) ist wirklich süß. So ein ruhiges Kind. Sehr selten, dass sie meckert. Ganz der Opa halt *grins* Unser Sohn hat uns erzählt, dass sie im Sommer nach Deutschland kommen wollen. Dann dauert es nur ein halbes Jahr bis wir die Drei wiedersehen. Da freuen wir uns.

In den Bergen war es wunderschön. Vor allem nicht so kalt wie auf der Prärie. Die Temperatur schwankte zwischen minus 15 und minus 5 Grad. Ganz einsame Gegend. Nur ein paar Bauernhöfe. Auf der Rückfahrt in Alberta haben wir dann viele Bullenherden gesehen. Das berühmte „Canadian Beef“ stammt von diesen winterfesten „Viechern“ Habe euch noch ein Bild mitgebracht von unserem „Familien-Winterdomizil“
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Es ist 9:00 Uhr hier. Die Chaoten, sorry die Kinder, sind soeben aus dem Haus. Heute Morgen habe ich ganz und gar nicht das Gefühl, dass ich der gute Opa bin, für den einige mich hier halten. Habe meinen Freund Rohith, der vor ein paar Tagen seinen siebten Geburtstag gefeiert hat, angebrüllt. Nach mehrfacher Ermahnung, sprang er nach zehn Minuten immer noch in seinem Bett herum, obwohl er sich anziehen sollte. Kaum hatte ich den „Großen“ am Frühstückstisch sitzen, kam der „Kleine“ und sagte eifrig: „pupu“ „pupu“ Sein breites Grinsen deutete ich aber aufgrund meiner Erfahrungen in dieser Familie inzwischen richtig: Seine Worte waren keine „Vorwarnung“, sondern ein „Zustandsbericht“. Schei …, dabei hatte ich ihm die Windeln gleich nach dem Aufstehen gewechselt.

Der liebe Gott hat das biologisch schon alles richtig eingerichtet. Ich meine, dass man zum Kinder kriegen jung sein muss. Das junge Paar scheint das alles gut zu managen. Ich sollte allerdings erwähnen, dass diese dämliche Erkältung bei meiner Frau und mir schon aufs Gemüt gedrückt hat. Vor allem weil sie so lange ging. Oder genauer: Wir waren nach über zwei Wochen einigermaßen wiederhergestellt, als „die anderen jungen Leute“ aus Toronto einen anderen Virus mitbrachten, den wir auch sofort aufgenommen hatten. Liebe Leute, werdet bloß nicht alt. Wie ihr seht, selbst eine Erkältung dauert doppelt so lang!

Bald geht es heim. Im Moment freue ich mich auf zu Hause, auch wenn ich weiß, dass mir die Ruhe der Wohnung ziemlich bald wieder auf die Nerven gehen wird. Aber ich habe ja euch …

Gunless

Das Video zeigt einen Trailer von einem kanadischen Western. Ich mag keine Western, mit Ausnahme von diesem hier. Den find ich einfach Klasse. Ein amerikanischer Revolverheld (Montana Kid) verirrt sich nach Kanada (wher the hell am I?), das damals noch zu England gehört hat. Dort hat man keine Kurzwaffen, sondern nur Gewehre für die Jagd. Auch die Auffassung von Recht und Ordnung war damals wie heute eher so wie in Europa.


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Ich liebe diesen Film. Er ist so kanadisch.

Wie immer. Alles wie immer. Das Frühstück bereitet. Wie jeden Morgen. Ach ja – die Windeln gewechselt. Diesmal noch ziemlich sauber. Nicht wie immer. Der Zweijährige spürt, dass nicht alles so ist wie immer. Seit zehn Minuten rennt er durch die Wohnung und sagt ständig „Bye Bye“.

Die Zwölfjährige hat mich ein wenig mehr gedrückt, als sie heute Morgen zur Schule ging. „See you Opa“ hat sie gesagt, als sie aus der Tür ging. Wie immer. Doch dann schob sie auf Deutsch nach: „Auf Wiedersehen, Opa“. Ihre Zahnspange verfälschte den starken Akzent nur leicht. Ich liebe diesen kanadischen Akzent. Ich habe ihn schon vor vielen, vielen Jahren bei meiner Frau geliebt.

Am härtesten aber war heute Morgen der Abschied von meinem Freund Rohith. Ich habe den Siebenjährigen zum Bus gebracht. Wie immer. Der sonst so gesprächige Junge hat kaum ein Wort gesagt. Opa auch nicht. Bevor er in den Bus stieg sagte er leise: „See you at Christmas, if you come.“ Ich wollte euch noch auf den Unterschied zwischen „if“ und „when“ im Englischen hinweisen.

Ich hasse Abschied. Ich hasse Abschied. Aber das sagte ich schon. Und meine Große? ich habe es viel lieber, wenn meine Tochter mich anschnauzt, weil ich was falsch gemacht habe, als wie so komisch zu gucken und mich ständig zu fragen, ob ich alles eingepackt hätte. Mein Satz „Ich nehme deine Mutter mit. Was soll mir sonst schon fehlen!?“ entlockte ihr doch tatsächlich ein Lächeln.

Ich sage mir immer wieder, dass ich „mich aussetzen“ muss. Ich muss mich neuen Situationen aussetzen, um flexibel zu bleiben. Ich muss mich anderen Menschen aussetzen. Ich muss „mich aussetzen“, um zu erfahren, was Ruhe und Beständigkeit ist. Um zu schätzen, was ich habe. Ich muss fortgehen, um zurückkommen zu können. Ich darf auf keinen Fall stehen bleiben. Wenn ich hinfalle, muss ich aufstehen. Trotzdem – Abschied ist Scheiße. Entschuldigt meine Damen.

Übrigens beginnt gleich wirklich eine Weltreise, wenn ich den Rechner hier zugeklappt habe. Manche nennen Edmonton die kälteste und abgelegenste Millionenstadt der Welt. Unsere Tochter fährt uns in die Innenstadt. Von dort geht es eine Stunde mit dem Shuttlebus zum Flughafen. Einchecken. Warten. Eine Stunde Flug nach Calgary. Warten auf den Interkontinentalflug nach Frankfurt. Elf lange Stunden Flug. Drei Stunden Nacht irgendwo über dem Atlantik. Warten in Frankfurt. Weiterflug nach Zürich. Warten. Mit dem Zug nach Basel. Umsteigen in den Zug nach Lörrach. Da ist das Wort „Weltreise“ doch keine Übertreibung, oder?!?

So, das war’s, liebe Leute.

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Nirgendwo funktioniert Multikulti so gut wie in Kanada. VANCOUVER ist für mich die schönste Stadt der Welt mit vielen freundlichen und lustigen Menschen allen Alters und aller Hautfarben. Vor einer grandiosen Skyline auf einem Surfbrett in den Wellen des Pazifik mit den gewaltigen Rocky Mountains als Kulisse im Hintergrund – auch das ist Heimat für mich.

Sieht denn der Typ auf dem Surfbrett nicht ganz genau so aus wie Jorge D.R.?!? Und der schwarze Fußballspieler ist mein Freund. Der macht auch so gerne Blödsinn wie ich.
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Immer wieder habe ich mir das Video angeschaut/angehört und dann dieses Gedicht geschrieben.
Vielleicht wollt auch ihr diese Reihenfolge einhalten? Es würde Sinn machen.

Wind und Weite

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Ein herzliches Dankeschön geht hier an meine großartige Lehrerin. Mit Können, Geduld und Charme hat sie den Willen ihres Musterschülers befeuert, alles aus sich herauszuholen.

eine trauer im frühling
(für Monika)

die angst vor der nacht
ertrinkt langsam
im blütenmeer eines
längst vergangenen frühlings
ein voller tag wie feiner sand
der durch die jahre rinnt
als das leben vor uns lag und
ideen sich auf die füße traten

hinter zerschlissener hoffnung
schimmmert schemenhaft
ein mädchengesicht
spiegelt die sehnsucht
nach unerreichbarem
weit hinter der trauer
wo das leben langsam ist
und auch wolken keine worte tragen

über den fels meiner seele
mäandert schützendes blau
flutet die risse des vergessens
mit einer anderen zeit
morgennebel zaubern licht
ankern deine augen an den sternen
und geben den blick frei
noch einmal ist frühling

Freude und Enttäuschung

können ja manchmal eng beieinander liegen. Gestern habe ich gemeinsam mit meiner Frau meine allererste Lesung gemacht – beim Seniorentreffen der evangelischen Gemeinde hier in meinem Heimatort. Es waren 24 Leute da und der junge Pfarrer. Ich habe Gedichte und Geschichten vorgelesen, jeweils unterbrochen von zirka vierminütigen Videos, die wir mit einem Beamer an die Wand geworfen haben. Die Bilder von unserer Reise durch die Amerikas hatten wir themenbezogen zusammengestellt, also etwa „Blumen“, „Bäume“, „Menschen“, usw. Das Ganze ging 60 Minuten und war eine runde Sache. Wir hatten vorher gründlich geübt und waren mit dem Erfolg des Vortrags sehr zufrieden. Der Beifall war lang, die Leute waren ganz offensichtlich echt beeindruckt. Die Dankesworte des jungen Pfarrers waren begeistert und beim anschließenden Kaffee und Kuchen kamen fast alle an unseren Platz, um ihre Freude und Dankbarkeit auszudrücken und weitere Fragen zu stellen. Dass hat uns gut getan. Insofern war dieser Nachmittag eine gelungene Übung für die erste öffentliche Lesung in einer Buchhandlung hier in Lörrach Mitte Mai.

Die Enttäuschung: Anzahl der verkauften Exemplare: 0 (in Worten: NULL) Drei Fraue n machten von sich aus eine Bemerkung, die uns überraschte, aber einleuchtete: Sie hätten nicht gewusst, dass man das Buch kaufen könne und würden normalerweise nicht mit so viel Geld rumlaufen (wir verlangen 15,- €) Gut, dass ich von dir, liebe lintschi, vorgewarnt war. Du hattest ja mal geschrieben, dass du bei drei Zuhörern mehr Bücher verkaufst als bei 30.

Überhaupt bin ich über den schleppenden Verkauf unseres Buches schon etwas traurig. Dabei habe ich von einem Verlagsmann und drei Buchhändlern bescheinigt bekommen, dass das Buch vom Konzept, der Aufmachung und der Haptik her eine gelungene Sache ist. Zu jedem Gedicht auf der rechten Seite gehört ein ganzseitiges Bild auf der linken Seite. Die 15,- € liegen knapp über den Druckkosten.

So werde ich mich wohl mit dem schon oft gehörten Argument trösten müssen, dass sich Lyrik schlecht verkauft – es sei denn man ist berühmt. Im Moment ist unser Reisebuch in der Druckerei. Mal sehen wie das läuft.

Eigentlich müsste ich diesen Thread „Weltreisetagebuch“ nennen. Aber das klingt selbst für Jorge D.R. ein wenig eingebildet. Also bleibt es bei diesem Namen.

Kanadisches Tagebuch nenne ich es deshalb, weil sich immer wieder alles um „diese Kanadierin“ dreht – jedenfalls für mich. Aber das wisst ihr ja bereits.

Diese Zeilen schreibe ich heute Morgen, am Freitag, den 9. Mai, während wir im Freien an unserem kleinen Campingtisch bei Kaffee und Croissant sitzen. An einem wunderschönen, sonnigen Morgen feiern wir den Geburtstag meiner „Angebeteten“ Ich habe ihr einen Cappuccino gemacht und ein Gänseblümchen gepflückt. Ihre Lieblingsblumen sind eigentlich Margeriten. Aber wo soll ich die hier herbekommen? Also müssen es die „Minimargeriten“ tun. Sie tat so, als freue sie sich. Jedenfalls schenkte sie mir dieses Lächeln, das sonst nur andere Männer kriegen.

Ach so – wo wir sind? – In Bonifacio, an der Südspitze von Korsika – direkt gegenüber von Sardinien. Eigentlich wollen wir noch gar nicht nach Hause. Aber wir sollten In ein paar Tagen kommt nämlich unser Sohn aus Canada. Er bringt zwei kanadische Mädchen mit, die fast so umwerfend aussehen wie meine Kanadierin. Von denen möchte ich euch ganz kurz noch was erzählen, damit diese Rubrik auch ihren Namen zu recht führt.

Heather ist um die 30, war im Judokader der kanadischen Olympiamannschaft, hat als Treathletin den Ironman gemacht und ist heute bei der Ontario Police. Vor ein paar Jahren hat sie mich in zwei Sekunden umgeworfen. Heute schafft sie das mit ihrem Lächeln allein.

Das andere Mädchen heißt Tori und ist 11 Monate alt. Ich habe sie bisher nur einmal gesehen. Da hat sie mich ständig angelächelt und Laute von sich gegeben, die klangen wie „I love you, Opa!“ Das will etwas heißen, denn in unserer Familie gelte ich als der Kinderschreck.

Also wie ihr seht, geht’s mir gut. Ich habe die beste Frau, das beste Auto und sooooo viele kluge und hübsche Verehrerinnen!
Was will ein Mann denn mehr?!?

Neee, das kann ich so nicht stehen lassen.
Wenn ich an Mo denke, dann werde ich traurig.

Hey Leute, ich bin überglücklich!!!
Wie ich euch berichtet hatte, fand meine erste Lesung vor ein paar Wochen in einem Seniorenkreis der evangelischen Kirche hier in Lörrach statt. Das hatte ich von vornherein als Testlauf verstanden und auch ausdrücklich darum gebeten, dass keine Presse da ist. (Der Pfarrer ist nämlich sehr medienbewusst *schmunzel*) Auch wenn ich kein einziges Buch verkaufen konnte, war ich zufrieden; denn die alten Leute waren sehr angetan – vor allem natürlich von „meiner Kanadierin“ *grins*

Am vergangenen Montag war nun unsere erste öffentliche Lesung in einer Buchhandlung in Lörrach: Gedichte und Geschichten, aufgelockert mit Kurzvideos von etwa vier Minuten. Die Videos waren themenbezogen, also z.B. Bäume, Blumen, Berge, usw. Das ganze dauerte eine Stunde und fünf Minuten. Marjorie hat die Videos vorgeführt, und ich habe gelesen.

Der Buchhändler hat sich gefreut wie ein Honigkuchenpferd. Stolz hat er uns verkündet, dass es 38 Leute gewesen seien. Mehr Leute hätten auch gar nicht in seine kleine Buchhandlung gepasst. Ich war sehr überrascht über die hohe Anzahl. In der Lokalzeitung war erst am Montag unter der Rubrik „Was und wo in Lörrach“ eine kleine Notiz erschienen.

Am Montag Abend war dann auch ein Pressevertreter da. Der Buchhändler hatte ihn angeblich nicht bestellt. Jedenfalls hat der Redakteur einiges durcheinander gebracht. Zum Beispiel ist unser Auto kein Landrover, sondern ein Landcruiser. Aber da werden nur die Fans die Nase rümpfen, denke ich.

Ach so – wir haben 19 (!!!) Bücher verkauft – 11 Gedichtbändchen und 8 Reisebücher. Da hat sich sogar meine Finanzministerin gefreut! Die wirft mir ja immer vor, dass ich so teure Hobbies hätte – das Auto, das Reisen und jetzt auch noch das „Schriftstellern“. Wie ihr wisst, schreibe (und quatsche) ich einfach gerne. Aber mein Ziel ist es schon, die Unkosten wieder hereinzuholen. Und die sind durch die vielen Bilder in den Büchern höher als ich erwartet hatte.

Also jedenfalls bin ich jetzt total happy. Zufällig waren genau am Montag auch unser Sohn Mark mit seiner Frau und seiner einjährigen Tochter aus Toronto in Lörrach angekommen. Ebenso unser kleines Töchterchen ( 32 Jahre ) aus Frankfurt war gekommen. Die Kinder dabei zu haben, war einfach schön.

Kanada

einsam und endlos.
Ein Himmel, groß und blau.


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Ich liebe dieses Land.

Eine hommage

von Jorge am Do Mai 01, 2014 2:56 pm

Liebe Mo,

Rheuma ist keine schöne Sache. Dass man sich damit trösten kann (jedenfalls für eine Weile) war eine neue Erfahrung für mich. Du kennst mich nicht und hast dennoch deine Ängste mit mir geteilt. Auch das war seltsam.

Die unerbittlichste und gleichzeitig herzlichste Mentorin die ich je hatte, warst du, Mo! Du hast mich Kindskopf genannt, wenn ich mich daneben benahm. Hast mich getröstet, wenn ich innerlich leer war. Hast mahnend den Zeigerfinger erhoben, wenn ich meine Hausaufgaben immer noch nicht gemacht hatte.

Und was ist, wenn die Lehrerin einfach nicht mehr kommt?!? Ein Scheiß ist das. Ein elender, verdammter Scheiß.

Als Dankeschön hatte ich dir ein Guiness versprochen. Soll ich das jetzt allein trinken?!? – Ach Mann, das Leben ist nicht fair.

„Eine Trauer im Frühling“ – Es ist ein wunderbares Gedicht. Sagt mir jeder. Und ich selbst liebe es. Ohne dich wäre es nie, nie, nie so gut geworden. Du wolltest nicht, dass ich dich erwähne. Aber heute schreie ich es hinaus: Dieses Gedicht habe ich für dich geschrieben! Von der ersten Zeile an. Weil ich mich so sehr gefreut habe, dass du deine Ängste mit mir teilst, habe ich dich mit meinen Zeilen trösten wollen. Du hast mir nie gesagt, ob dieser Trost ankam. Stattdessen hast du mich mit deinen Verbesserungsvorschlägen genervt. Mensch Mo, ich habe doch bloß eine Weile gebraucht, um meine Eitelkeit niederzukämpfen!

„Ich will wie Paul Celan schreiben und du musst mir dabei helfen!“ – das habe ich mehrfach von dir „gefordert“. *grins* Ein kurzes Lächeln und lange Tipps waren deine typische Antwort. Und jetzt?

Jetzt bist du gegangen. Einfach so. Für immer. Mo, das ist nicht fair von dir.

Letztes Jahr in der Adventszeit hast du mir von deinem Dorf erzählt. Von deinen Omas und von deiner Heimat. Und plötzlich waren wir bei Gott. Das alles hat mir so gut getan im fernen Kanada, wo es kalt war und ich ohne Heimat – trotz Kinderlachen um mich herum. Plötzlich war da heimaltliche Wärme in einem fremden Land – einfach durch deine Worte.

Mo – ich habe mit Gott geschimpft. Ich weiß – du würdest mich jetzt wieder Kindskopf nennen. Aber das ist mir diesmal egal! Was soll ich denn sonst tun?!? Einfach heulen??? Große Jungs heulen doch nicht, Mo.

Und jetzt werde ich noch einmal eitel und zitiere mich selbst:
Jorge hat geschrieben:Das war jetzt viel „Gequatsche“. Kürzer kann ich es nicht anders sagen, als wie ich es schon einmal weiter vorne gesagt habe:

„Ein herzliches Dankeschön geht hier an meine großartige Lehrerin. Mit Können, Geduld und Charme hat sie den Willen ihres Musterschülers befeuert, alles aus sich herauszuholen. “

Liebe Mo, ich möchte dir noch ein Kompliment machen:

„Ich wünschte ich wäre Paul Celan. Dann würde ich dir all die Dinge sagen, die du schätzt und ich würde sie in Worte kleiden, die du liebst. Aber so bin ich nur Jorge D.R. – dein Möchtegern-Musterschüler.“

Canzone

Ich habe mir schon gedacht, dass es euch nicht so anspricht, mit einem Buschpiloten in einer lauten Cessna stundenlang über den einsamen kanadischen Norden zu fliegen. Deshalb habe ich hier noch etwas, das euch wahrscheinlich eher gefällt.


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In Alberta gibt es wenig Italiener. Es ist denen vermutlich zu kalt dort. Aber jetzt sind wir bei unserem Sohn in Waterloo, Ontario. Das ist eine Stunde westlich von Toronto. Hier gibt es eine Menge italienischer Restaurants. Das Lied hat mir gefallen. Es erzählt von einem Wind. Ihr ahnt es schon – dem Wind der Liebe.

Wettermeldung

Blauer Himmel.
Sonnenschein.
Den ganzen Tag.
Heiß.

Oder:
Bizarre Wolkengebilde.
Ab und an ein Schauer.
Warm.

Manchmal ein wenig traurig,
weil das Leben so schnell geht
und weil ich immer noch nicht weiß,
wo Heimat ist.

Meist schaut aber gleich das Glück um die Ecke.
Es hat Namen wie Anna, Rohith oder Talin.
So auch jetzt!

Tschüss!
Für euch alle

Wintermeldung

10 cm (zehn!) Zentimeter Schnee in Edmonton, Alberta! Sogar der Flugverkehr war kurzzeitig beeinträchtigt. Gestern habe ich mit meiner Tochter telefoniert. 10 cm Neuschnee und nur +1° – und das Anfang September! Das ist selbst für Canada ein wenig ungewöhnlich. Vor ein paar Tagen hatte ich für sie noch im Garten einige Stellen ausgebessert und frisches Gras gesät.

Hier bei unserem Sohn in Waterloo, etwa eine Stunde westlich von Toronto, hatte es gestern +22°C. Aber Toronto liegt auf der gleichen nördlichen Breite wie Florenz. Außerdem machen hier die Großen Seen das Klima immer etwas milder. Im Sommer tropischer – nicht heißer als am Oberrhein, aber viel feuchter. Deutlich mehr und schwerere Gewitter gibt es hier. Im Winter wird es kälter als bei uns daheim (etwa -20 °C), aber bei weitem nicht so schlimm wie im Westen von Kanada.

Wir entspannen hier von der vielen Arbeit bei unserer Tochter. Unser Sohn und seine Frau haben ein neues Haus gekauft mit einem schönen Garten mit Schwimmbad. Da gibt es zwar auch eine ganze Menge zu tun, aber wir halten uns zurück. Wir beschäftigen uns lieber mit der 15 Monate alten Tori. Sie ist ein süßes Mädchen. Ich kann ja sonst mit so kleinen Kindern nicht so viel anfangen. Aber die Kleine flirtet richtig mit mir!!! Wenn ich mehr als zwei Meter entfernt bin, lächelt sie mich an. Komme ich näher, dreht sie den Kopf nach der anderen Seite und macht ein ganz ernstes Gesicht. Verhalte ich mich dann ruhig, schielt sie von seitlich unten nach mir. „Pa“ sagt sie schon, aber „Opa“ noch nicht. Ich versuche ihr dieses wichtige Wort noch beizubringen , aber viel Zeit habe ich nicht mehr. Ende nächster Woche fliegen wir wieder heim. Mir graut jetzt schon vor dem Abschied.

Herzliche Grüße an Alle

Global Mail ist die qualitativ hochwertigste Zeitung Kanadas. Das Redaktionsteam besteht aus Kanadiern der unterschiedlichsten Rassen. Für mich ist es die beste Zeitung der Welt. An zweiter Stelle kommt für mich die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT.

In dieser Zeitung fand ich eine Umfrage der BBC, die ich nun auch im Internet gefunden habe.
Deutschland ist das beliebteste Land der Welt. Genau das haben wir immer wieder auf unseren Reisen gemerkt. Wir haben an unserem Toyota Landcruiser die Flaggen beider Länder und reisen seit Jahren sehr gut damit.
Wenn ihr des Englischen nicht so mächtig seid, dann schaut mal wenigstens die Grafik an.

Hier der Link
http://www.bbc.com/news/world-europe-22624104

Ein paar Gedanken zur derzeitigen Diskussion um Sterbehilfe http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=18482
( ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit)

1) Als ich jung war, wollte ich keine Kinder. Wesen in die Welt setzen, die nicht darum gebeten haben…Zusehen, wie sie heranwachsen und begreifen, dass man im Leben leidet und dass die Tage gezählt sind…Ich fand das grausam. Und außerdem war ich mir sicher, nie das Zeug zum Vater zu haben.

2) Dann wollte ich Kinder und es ging nicht. Quälend lange Jahre. Elendige Jahre. Ich könnte viel darüber erzählen.

3) Dann kamen sie. Alle drei. Dicht hintereinander.

4) Dann gingen sie wieder – 500 Kilometer, 5000 Kilometer und 10000 Kilometer.

Unglaublich tolle Menschen heute – mit wunderbaren Partnern und Kindern.

5) Heute habe ich nur noch ein Problem – ein ganz kleines:
Ziehe ich 500 km von hier weg oder 5000 km oder 10000km?

Wenn das nicht Glück ist!!!
Wahrscheinlich entscheide ich mich für die 10000km.
Denn dort lebt der siebenjährige Enkel.
Warum ich gerade zu ihm ziehe?
Nun er hat mir am Telefon kategorisch erklärt:
“Opa, du wirst nicht sterben.”

Alles klar?

In der heutigen Ausgabe unserer Badischen Zeitung steht ein ganzseitiges Interview mit einem Professor aus Freiburg. Nachdem ich das gelesen habe, weiß ich endlich, an was ich „leide“:

an einer Überproduktion des Kuschel- und Treuehormons Oxytocin http://www.swr.de/swr2/wissen/kuschelhormon-oxytocin/-/id=661224/nid=661224/did=12778936/1hu2ivt/

Weil „meine Kanadierin“ es meist nicht so witzig findet, wenn ich wieder einmal meine Lieblingsrolle (Ihr wisst schon!) spielen will und weil Ihr ja auch nur noch die Nase rümpft, wenn ich hier im Forum „den Großen Junge“ markiere, langweile ich mich manchmal ganz tierisch zu Hause. In der Folge kommt es zu gefährlichen Situationen. Die letzte ist noch nicht ausgestanden, aber ich habe mich entschlossen, Euch einen Zwischenbericht zu geben.

In unserem kleinen Städtchen gibt es ein Atelier, in dem wir schon einige Male hochwertige Bildereinrahmungen haben vornehmen lassen. Als ich letzte Woche auf meine Frau wartete, studierte ich das Schaufenster und las, dass sie eine Vernissage machen wollen. Spontan ging ich hinein und verlangte den Chef. Dem erklärte ich, dass zu einer richtigen Vernissage eine Gedichte Lesung als Beiprogramm gehöre. Und ob er denn nicht gelesen hätte, dass ich bereits zwei solche Vorstellungen in Lörrach gehalten hätte.

Nein hätte er nicht. Im Übrigen habe er leider auch meinen Namen noch nie gehört. Weil ich diese beiden Äußerungen mit einem milden Stirnrunzeln quittierte, wurde der Mann immer unsicherer.

Prompt in diesem Moment mischte sich sein Angestellter ein. In eifrigem Ton und mit leichter Verbeugung in meine Richtung bestätigte er die Aussage und fügte noch an, dass er den langen Artikel in der Zeitung mit den beiden Bildern auch seiner Frau gezeigt habe.

Just in dem Moment, da die zerknirschte Miene des Chefs mein Mitleid zu erregen begann und ich beschloss, mein Hochstapler-Benehmen abzubrechen, flackerte ein listiges Grinsen über das rote Gesicht des kleinen Mannes.

Also das mit den Gedichten sei jetzt so kurzfristig nicht mehr machbar. Ohne Absprache mit dem Künstler und so weiter. Aber er hätte da soeben eine Idee bekommen. Ich könne ja die Laudatio halten! Sein Wunschkandidat für diese Aufgabe sei ihm einfach zu teuer. Die andere sehr kompetente Person, von der er auch schon eine Zusage habe, sei krank geworden und habe vor einer Stunde abgesagt.

Ich sah ihm an, dass er über seinen Einfall erleichtert war. Jetzt lag der schwarze Peter wieder bei mir. Mit dem Satz, ich verstünde nichts von Kunst, wollte ich meinen Hals elegant aus der Schlinge ziehen. Er aber deutete dies als Bescheidenheit, was bei mir wiederum zum ersten Mal die Alarmglocken schrillen ließ, wenn auch noch sehr leise. Auf seine Offerte, mir den nächsten Bilderrahmen umsonst zu machen, bemerkte ich, dass es mir nicht um Geld gehe. Diese souveräne Antwort verschaffte mir wieder etwas Oberwasser.

Doch dann kam er mit handfesten Argumenten. Er würde mir alle verfügbaren Unterlagen über den Künstler zur Verfügung stellen und er sei mir wirklich dankbar und so weiter, und so weiter. Meinen letzten zaghaften Einwand, ich würde doch den Künster überhaupt nicht kennen, wischte er mit einer energischen Handbewegung vom Tisch. Das sei auch nicht notwendig. Meine Laudatio würde sicher viel erfrischender ausfallen, wenn sie nicht von Fachausdrücken durchsetzt sei und endlich einmal eine total andere Sichtweise auf den Künstler zeige.

So, meine lieben Damen, jetzt habe ich genau diesen Job am Hals und morgen Abend um 19:00 Uhr ist es so weit. Drückt Ihr mir die Daumen?

Wenn es daneben geht, will ich doch hier bei euch jammern können. Also muss ich euch vorher davon erzählen. Denn auf meine Süße kann ich bei dieser Art von Verrücktheiten nicht zählen. Den Landcruiser aus einem Salzsee in Bolivien auszugraben, obwohl ich durch meinen Eigensinn daran schuld bin, das macht sie kommentarlos mit. Aber bei solchen Geschichten wie der hier tut sie so, als kenne sie mich nicht. Genau deshalb brauche ich Euch, Mädels!

Ich bin total platt. Meine Frau ist nun wirklich kein emotionaler Typ, aber auch sie ist ganz aus dem Häuschen. Zur Vernissage von Kurt Mair, einem deutschen Maler, der in Italien lebt, waren etwa 100 Leute gekommen. Meine Laudatio dauerte knapp 7 Minuten. Ich hatte zirka 5 Stunden investiert, um das Leben und die Werke des Malers zu studieren und die Rede zu schreiben. Ich habe so etwas wirklich noch nie gemacht. Viele Leute sprachen mich an, dass ihnen meine Worte gefallen hätten. Der Gallerie Besitzer kam freudestrahlend auf mich zu und war ganz happy. Richtig glücklich griff ich zu einem Glas Sekt und einem Wurstbrötchen. Für mich war der Abend gelaufen.

Ich hatte gerade den ersten Bissen im Mund, da hätte ich mich beinah verschluckt. Der Künstler kam auf meine Frau und mich zu und bedankte sich in ruhigen Worten (ist ein ziemlich ernster Mensch). Ich äußerte, dass mir ein wenig komisch war, ohne vorher mit ihm Kontakt zu haben, eine Laudatio zu schreiben. Aber wenn er zufrieden sei, dann sei ich es auch.

Und dann kam der Hammer. Er bat meine Frau und mich, ein Bild für uns auszusuchen (Listenpreis 700 €) und der Galleriebesitzer ergänzte:“Da will ich mich aber nicht lumpen lassen. Ich mache Ihnen den Rahmen dazu – bitte nicht über 300€.“ Ich war platt und wusste nicht, was ich sagen sollte.

Hoffentlich klingt das für euch jetzt nicht wie Angeberei. Aber ich musste euch ja auch den Schluss dieser Geschichte erzählen – einer story, die wirklich aus einer Laune heraus mit einer verrückten Idee begann.

2013

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Wieder in Kanada

Edmonton, Alberta

Ich bin in Edmonton, Alberta, Canada. Zu Besuch bei unserer großen Tochter und Familie.

Ich fühle mich wohl hier in Canada. Bei Minus 10 Grad Schnee schippen, tut mir gut. Der großen Tochter den Küchenschrank reparieren, macht Spaß. Selbst dem zweijährigen Enkelsohn die vollgeschissenen Windeln wechseln, ist kein Problem für mich. Aber zu Hause am Schreibtisch über das Leben grübeln und mich nur mit der Lyrik beschäftigen, das ist nicht gut für mich.

Es ist hier im Moment 7:17 Uhr in der Früh. Es ist noch dunkel draußen, weil wir hier einiges nördlicher sind. Minus 6 Grad zeigt das Thermometer. Etwa 20 cm Schnee liegt auf dem gefrorenen Boden. Für morgen ist ein Blizzard von Nordwest angesagt. Der soll etwa einen halben Meter Schnee bringen. Anschließend soll die Temperatur auf Minus 35 Grad fallen. Huch! Da friert es mich jetzt schon. Schön ist allerdings der stahlblaue Himmel tagsüber und das riesige Sternenzelt zur Nacht.

Eine schöne Adventszeit wünscht
Jörg

Dezember 2013

Es ist 5:45 Uhr in der Früh. Noch schläft das Haus. Es ist dunkel draußen. Im Licht der Straßenlaternen glitzert der Schnee. Die Temperatur ist minus 28 Grad. Da kein Wind geht, ist die Kälte nicht ganz so schlimm. Aber die Heizung läuft dennoch auf volle Pulle. Da es eine Luftheizung ist (wie üblich hier), ist die Luft immer sehr trocken. Die Haut wird rissig und die Nase trocken.
Heute ist Niklaustag. Rohith (6 Jahre alt) hat soeben um die Ecke geschaut und gefragt, ob der Nikolaus schon da war… Er weiß, dass Opa der Frühaufsteher hier in der Familie ist und auch sonst so einiges mitbekommt, was die (oft) gestressten Eltern nicht immer so mitbekommen. Obwohl meine große Tochter, wie ich gesehen habe, jeweils einen Schuh schon gut gefüllt hat (sogar meine Stiefel!!), habe ich Rohith wieder ins Bett gescheucht – mit der Behauptung, dass ich da soeben etwas gehört hätte. Mein verschwörerischer Gesichtsausdruck hat gereicht, um ihn zurück in sein Zimmer zu bringen. Ist ja auch eine Stunde zu früh.
Gestern waren wir bei einem Schulkonzert der Junior High School. Das sind die Schuljahre 7, 8 und 9. Die elfjährige Anna ist dort in der siebten Klasse und hat die Querflöte gespielt. Jede Klassenstufe hat ihr eigenes Orchester mit zirka fünfzig (!!!) Kindern. Ein riesengroßer Andrang in der gewaltigen Sporthalle. Und eine unglaubliche Disziplin der Schüler! Überhaupt Disziplin – da können die Lehrer in Deutschland nur davon träumen! Aber auch die Eltern! Am Schluss hat jeder seinen Klappstuhl wieder im Storage versorgt. Unglaublich, wie gut das alles funktioniert! Dabei sind alle Hautfarben hier vertreten. Viele Großeltern waren da, einige in den farbigen Trachten ihres Landes. Ich bin schon viel gereist. Aus meiner Sicht ist Kanada im Moment das toleranteste Land der Welt.
Mich wundert ganz und gar nicht, wieso Kanada neben Finnland bei der Pisastudie immer so gut abschneidet. In Deutschland wird immer gleich von Geld geredet und an strukturellen Problemen „rumgedockert“. Alles Käse. Nicht so wichtig. Der mit Abstand wichtigste Faktor sind die Lehrer. Die Lehrer hier haben große pädagogische Freiheiten, werden gut bezahlt und ( das Wichtigste!!!!) haben eine sehr hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

Heute ist wieder ein herrlicher Tag. Keine Wolke am Himmel und nur minus 18 Grad. Windstill. Damit ist es auch draußen durchaus erträglich. Außerdem freue ich mich natürlich, dass ich hier weiterschreiben soll und das euch meine Buchvorstellung gefällt. Ich habe auch schon eine Bestellung hier aus eurem Kreis. Hätte ich früher mal nicht gedacht, dass ich mich über so eine Kleinigkeit wie eine Buchbestellung derart freue.
Ich habe soeben ein Bild gemacht, das ich hier herein stelle. Ich wollte euch mal zeigen, welchen Blick ich habe, wenn ich über meinen aufgeklappten Notebook schaue. Ich sitze am Esstisch meiner Tochter und schaue in Richtung Norden in ihren Garten. Den rostrot gestrichenen Zaun, den ihr im Hintergrund seht, habe ich vor zwei Jahren im Sommer für sie gebaut. Es ist soeben 11:20 Uhr.

Sonntags sind Granny und Opa etwas entlastet, weil sich die jungen Leute selber um ihre Kinder kümmern. Der Lautstärkepegel überschreitet manchmal die 90 Dezibel – Marke. Jedenfalls fühlt es sich so an. Der zweieinhalbjährige Talin und der nächste Woche siebenjährige Rohith geraten sich manchmal ganz schön in die Haare. Da ich mir grundsätzlich vorgenommen habe, auf keinen Fall einzugreifen, wenn Mama und/oder Papa im Haus sind, geht mir das Geschrei manchmal schon ein wenig an die Nerven. Wenn ich allein mit den Jungs bin, habe ich NULL Probleme. Gleich die ersten drei Tage habe ich Beide einmal kräftig am Kragen gepackt und fest gehalten. Kein Wort dabei gesagt und ganz bös gekuckt. Dann bin ich wiedergekommen, habe sie in den Arm genommen und wir haben weitergespielt. Sie lieben mich und ich sie. Inzwischen genügt es, wenn ich sie streng anschaue. Solche Momente sind sowieso die Ausnahme. Normalerweise machen die beiden kleinen Jung und der große Junge den „Blödsinn“ geneinsam und meine Frau und meine Große regen sich dann darüber auf. Das macht mehr Spaß. Manchmal finde ich es gut, dass meine Süße hier nicht mitliest *grins*
Noch etwas zu den beiden Ausdrücken Granny und Opa. So sagen alle drei Enkelkinder. Ich rede (meist) Deutsch mit Ihnen, meine Frau Englisch. Also bin ich der Opa und sie die Granny. Die indischen Großeltern heißen Grandpa und Grandma.

Und ihr mögt mein Geschwafel wirklich??!?? Es ist nicht nur das Staunen darüber, hier einen Mann anzutreffen, der quatscht und quatscht und quatscht … ????

Heute Morgen hat es zwar nur minus 7 Grad, aber es weht ein ziemlich starker Wind. Hohe Wolken ziehen vorbei. Es riecht nach Schnee. Ich stehe an der Haltestelle und warte auf den gelben Schulbus. Zwei kleine Mädchen, etwa acht Jahre alt, und mein Enkelsohn Rohith um mich herum. Rohith macht ständig irgendwelchen Blödsinn. Es ist ganz offensichtlich, dass er den Mädchen imponieren will. Von wem er das bloß hat?!

Ausgerechnet heute hat der Bus Verspätung. Schon zwanzig Minuten stehen wir hier an der Bushaltestelle und frieren. Eines der Mädchen ist nicht warm genug angezogen und schlottert wie Espenlaub. Ihre Familie ist vor ein paar Monaten aus Myramar (früher Burma) nach Kanada eingewandert. Die aufgeweckte Kleine tut mir leid.

Ich überlege mir gerade zum Haus zurückzugehen, um die Kinder selbst zur Schule zu fahren, da kommt endlich der Bus. Die Busfahrerin, eine etwa fünfzigjährige Frau, fängt gleich an, sich zu verteidigen, bevor ich etwas gesagt habe. Sie faselt etwas von gesperrter Kreuzung. Dabei wollte ich nur Guten Morgen sagen. Mehr reden wir sowieso nicht miteinander. Sie ist keine besonders freundliche Frau. Aber vielleicht bin ich ja inzwischen auch nur von euch netten Damen hier im Forum zu sehr verwöhnt worden!?

Als ich zurück zum Haus komme, springt direkt vor mir ein Schneehase auf. Er hatte es sich ganz offensichtlich im Windschatten der großen Kiefer gemütlich gemacht. Diese Hasen sind wirklich weiß wie der Schnee. Nur die Schwanzspitze ist tiefschwarz.

Ich werde meine Tochter heute Abend fragen müssen, wie zu reagieren ist, wenn der Schulbus so viel zu spät kommt.

Also das freut mich jetzt schon, dass euch mein „Geschreibsel“ gefällt, auch wenn ich euch nichts Extravagantes hier biete. Ich erzähle aus dem Leben eines Opa *grins*

Im Moment bin ich allein mit den zwei Jungs. Anna spielt die Querflöte im Schulkonzert, und das gibt heute Abend eine Weihnachtsvorstellung. Der ganze Klan ist hin, nur wir drei „Männer“ nicht. Bin direkt ein wenig gerührt, dass meine Tochter mir inzwischen zutraut, auf ihre Jungs aufzupassen. Anfangs war sie sich nie so sicher, wer mehr „Blödsinn“ im Kopf hat -ihre zwei Söhne oder ihr „alter Herr“ (so nennt sie mich manchmal).

Der Kleine (die Eltern nennen in immer „Trouble“) war zahm wie ein Lamm. Wir haben noch eine Weile miteinander durch das große Wohnzimmerfenster in den Vorgarten geschaut. Eine ganze Weile haben wir Beide den Schneehassen angestarrt. Im Scheine der Straßenlaterne konnten wir ihn gut beobachten. Etwa vier Meter vor unserem Fenster am Fuß des großen Baumes hat er seinen Nachtplatz. Er war schon im Schlaf. „Bunny sleep“ sagte der Kleine sicher zehn Mal. Für mich der ideale „Aufhänger“, ihn ins Bett zu kriegen. Und so war es auch. Mit dem Kommentar „Talin sleep“ marschierte er schnurstracks in sein Bett.

Rohith ist heute nicht zur Schule gegangen. Er hatte in der letzten Nacht erbrochen und starken Durchfall gehabt.. Im Laufe des Tages ging es ihm aber wieder besser. Aber heute Abend ist er nicht einmal halb so quirlig wie sonst. Er mag es, wenn ich ihm vorlese. Das haben wir getan. Und vor zehn Minuten hatte er noch einen Einfall. (Er hat öfter sehr abrupte und teils komische Einfälle.)

Er wolle das Bild mit den vielen Alligatoren sehen, „wo wir über die Brücke gefahren sind“. Ich wusste, dass meine Frau vor ein paar Tagen mit ihm Bilder von unserer Reise angeschaut hatte. Mit seiner Hilfe fand ich das Bild schließlich auch auf meinem Computer. Es war auf unserer Reise durch Brasilien im Pantanal. Die Trockenheit war derart groß, dass auch die Alligatoren nichts zu fressen hatten. Ich hänge die beiden Bilder noch an. Das passt jetzt zwar nicht zu der kanadischen Winterlandschaft. Aber passen muss hier ja auch Nichts.

Als Rohith vorgestern vom Bus heimkam, hatte er einen Plastikbeutel mit einer bräunlich grünen Flüssigkeit in der Hand. Es dauerte eine Weile, bis ich zwischen seinen Worten „Ich musste erbrechen“ und dem grün gelblichen Plastikbeutel einen Bezug hergestellt hatte. Offensichtlich hatte ihm die Busfahrerin diesen Plastikbeutel gegeben. Meine Tochter hatte diesen ominösen Beutel vor die Hintertür gelegt. Nach drei Stunden hätte man damit Jemanden totschlagen können. Bei minus 22 Grad ja auch nicht verwunderlich.

Jedenfalls ging es meinem Enkelsohn recht bald wieder deutlich besser. Ich hingegen hatte mir offensichtlich das Gleiche eingefangen. Den ganzen gestrigen Tag ging es mir beschi… Fast zwei Jahre lang rein Garnichts gehabt. Kaum komme ich hierher, kriege ich die komischsten Krankheiten. Nach einer sehr unruhigen Nacht fühle ich mich aber heute wieder deutlich besser. Krankheit für einen Tag habe ich auch noch nie erlebt. Immerhin habe ich gestern sogar erbrechen müssen.

Laut meiner Tochter soll Rohith aber noch nicht wieder in die Schule, obwohl er heute Morgen auf mich putzmunter wirkt. Also bin ich allein zur Bushaltestelle gelaufen, um der Busfahrerin Bescheid zu geben. Die jüngere der beiden Birmesenmädels fror so erbärmlich, dass sie schlotterte und bitterlich weinte. Ich wärmte ihre eiskalten Händchen in meinen warmen Pranken, und bald beruhigte sie sich. Der großen Schwester habe ich gesagt, dass Mama ihr mehr anziehen soll. Wie so oft, war der Bus auch heute wieder später.

Ich entschuldigte Rohith und fügte spaßeshalber an, dass er halt nicht genug deutsches Erbgut hätte. Das fand ganz offensichtlich nur ich lustig. Diese komische Busfahrerin verzog keine Miene.

Ich muss gerade darüber sinnieren, wie viel härter die Situation vor nicht einmal einem Jahr am Licancabur in Bolivien war. Mein Gedicht „trotzig“, das ich im Februar auf meinen Blog gestellt habe, hat als einziges keinen Kommentar bekommen. Und jetzt berichte ich euch hier Zeilenlang über Wehwehchen und Kinderkram. Die Dinge sind relativ.

Vielleicht mache ich mir über „so etwas“ auch nur zu viele Gedanken, weil ich Angst habe, älter zu werden.

In Canada kommt am 25.12. Santa Claus und bringt am Morgen die Geschenke. Wenn ich dazukomme, erzähle ich euch hinterher noch etwas mehr. Hier erst mal der Flieger, in dem er an seinem Logistikzentrum am Norpol landet. Es ist der North Pole Flight 2412.

(Um Lästereien zuvorzukommen: Nein, wir arbeiten nicht für Air Canada, aber wir fliegen mit denen seit über 40 Jahren.)

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North Pole Flight 2412

Sitze schon seit 6:00 Uhr hier am Computer. Auch jetzt um 8:00 Uhr rührt sich noch nichts im Haus. Auch die beiden kleinen Jungs sind gestern Abend spät ins Bett. Nicht einmal die Kaffeemaschine hat Irgendjemanden geweckt. Und so sitze ich wieder mal am Rechner, die dampfende Tasse vor meiner Nase. Wie ihr sicher merkt, sitze ich sehr oft am Computer. Ich staune auch.

Habe soeben eine E-Mail aus El Calafate in Argentinien bekommen. Ein ganz nettes Schweizer Paar, mit denen wir letztes Jahr in Cusco, Peru, Weihnachten gefeiert haben. Sie hätten so oft an uns gedacht die letzten Tage. Sie hätten schon Heimweh nach der Schweiz. Aber wir seien ja jetzt bei unseren Kindern in Kanada. Das sei sicher schön!

Stimmt das? Es gibt mehrere Antworten. Eine davon lautet: Mist, dass ich wieder mal Zeit zum Grübeln habe. Für so einen wie mich ist Grübeln nicht gut. Andererseits ist es schön, dass ich hier plappern kann. Offensichtlich lest ihr ja das Zeug.

Also bin ich nun glücklich oder nicht? *grins* Monika ist auf jeden Fall schuld, dass ich sehr aufgewühlt bin. Ihre Geschichte „Und manchmal gab es auch Orangen“ hat in mir heftige nostalgische Eruptionen verursacht.

Unglaublich, wie mich deine Geschichte berührt hat, Monika.

Dass muss auch an der Umgebung liegen. Ich meine nicht (nur) das fremde Land, nicht die Kälte und den Schnee.

Ich denke an das indisch-kanadische Umfeld, das sich so rührend Mühe gibt, das christliche Weihnachtsfest zu begehen (Erst geht es aber in den Sikh-Tempel *grins*)

Ich denke an die lutherische Kirche in Claußnitz, wo ich getauft wurde.

Doch da ist heute Morgen auch Freude. Heute Abend werde ich neben meiner großen Tochter in der Kirche stehen.

Seit sehr langer Zeit wieder einmal. Ich weiß nicht wo. Aber das ist auch nicht wichtig. Aus dem Telefonbuch hat sie eine Kirche ausgesucht. Sie tut es, weil sie weiß, wie sehr ich es mir wünsche.

Und in vier Tagen kommt unser Sohn mit Familie aus Toronto. Das Baby ist inzwischen sechs Monate alt. Bald werde ich es zum ersten Mal in den Armen wiegen können.

So – die Jungs sind wach. Opa muss auf die Bühne.

Bis später.

Meinen Beitrag beginne ich heute wieder einmal mit einem morgendlichen Lagebericht. Es ist im Moment genau 7:00 Uhr morgens. Heute nur minus 4 Grad. Leichter Schneefall. Absolute Ruhe im Haus. Meine Hoffnung heute ist, dass dies auch eine ganze Weile so bleibt. Denn alle, auch die beiden Jungs, sind gestern erst nach 22:00 Uhr ins Bett gekommen. Ab und zu hatte ich allerdings den Eindruck, der Kleine schläft im Stehen ein.

Heute ist hier Boxing Day. Verkürzt gesagt ist das DER Einkaufstag des Jahres. Aber der Reihe nach.

Heilig Abend ist hier nicht groß was los. Für mich war es etwas ganz besonderes. Ich bin seit drei Jahren das erste Mal wieder in einer Kirche gestanden, flankiert von meiner Frau und meiner großen Tochter. Meine Große hatte in dieser Millionenstadt die Kirche ausgesucht, in der vor Jahren unser Sohn geheiratet hat. (Die United Church-eine evangelisch-reformierte Kirche) Dann war da auch noch die gleiche Pfarrerin, die unseren Sohn getraut hat. Welch eine schöne Überraschung! Ich war sehr bewegt.

Am 24. waren so um 22:00 Uhr schon Ruhe im Haus. Dafür ging der Krach am nächsten Morgen um 4:00 Uhr morgens schon los. (Wie ihr sicher wisst, ist die Bescherung in den angloamerikanischen Ländern am 25.12. morgens.) Der Vater hat dann noch einmal für Ruhe gesorgt. Um 6:00 Uhr ging dann alles wieder los. Kein Geschrei, aber ein Getapse hin und her. Da bin ich dann aufgestanden und hab mir meinen Kaffee gemacht.

Am 24. hatten die Eltern alle Geschenke sehr aufwendig in Pakete verpackt und unter den Christbaum gelegt. Immer wieder huschten die beiden Jungs an der Küche vorbei zum Baum ins Wohnzimmer. Noch einmal gelang es mir die Beiden in ihr Zimmer zu verbannen. Meine „Drohung“ Santa Claus könne sonst noch einmal kommen und alles wieder mitnehmen, hat mir der Siebenjährige nicht so richtig abgenommen. Aber sie blieben beide in ihrem Zimmer.

Um 8:00 Uhr ging es dann los. Jeder MUSSTE im Schlafanzug kommen – auch Opa. Dann wurden die Pakete geöffnet, immer der Reihe nach. Da achteten die Eltern streng darauf. Das ganze Prozedere dauerte fast drei Stunden. Anschließend bereitete der Schwiegersohn ein deftiges kanadisches Holzfäller-Frühstück, mit Speck und Eiern. Das war echt Klasse.

Am frühen Nachmittag war dann wieder wirklich Ruhe im Haus, sodass selbst Opa seinen obligatorischen Mittagsschlaf in Ruhe halten konnte.

Am Spätnachmittag ging es dann ans andere Ende der Stadt, wo in dieser riesigen indischen Familie Weihnachten gefeiert wurde. Dass die alle (nicht mehr praktizierende) Sikhs sind, hatte ich euch schon erzählt. Es gab ein großes Buffet. Die Sachen waren köstlich, auch wenn ich mir diese komischen Namen nicht merken konnte. Am meisten aber hat mich beeindruckt, wie höflich und lieb die alle zueinander waren – auch die Kinder!!!! Die eine Tante ist geistig sehr stark behindert. Wie lieb und ungezwungen diese etwa fünfzigjährige Frau von Allen, gerade auch den Kindern, behandelt wurde, hat mich stark beeindruckt. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass ich in mir selbst schon einige -sagen wir mal- komische Gefühle spürte. Na ja, renitente junge Männer waren schon immer eher „mein Fall“.

Für mich war es ein unglaublich interessanter Abend. Meine Meinung war gefragt (Dass ich gerne im Mittelpunkt stehe, wisst ihr ja schon lange *grins*) Immer und immer wieder habe ich gestaunt, wie gebildet und wie gut informiert diese Leute sind. Der Onkel z.B. ist zirka zehn Jahre älter als ich. Er war Professor für Geschichte in Delhi. Der Bruder von meinem Schwiegersohn leitet das Kraftwerk von Red Deer, der drittgrößten Stadt der Provinz Alberta.

Bei den Fragen musste ich übrigens öfter passen. Nur ein Beispiel: „Welchen Einfluss/Rolle hatten die Künstler in der Weimarer Republik?“ Oder: „Stimmt es, dass die Deutschen so viel jammern, obwohl sie die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt sind und das beste Gedundheitssystem der Welt haben?“ Mir hat der Kopf geraucht wie schon lange nicht mehr, sage ich euch!

Was mir gerade einfällt: Meine Schwägerin musste zwei Monate auf ihr MRT warten. Das ist schnell hier in Kanada. Weil sie bei der Polizei ist, ging es so schnell. Als wir letztes Jahr nach Hause kamen, war meine Frau wegen ihres schmerzenden Knies am nächsten Tag in der Röhre.

Also jedenfalls war es ein wunderschönes Fest gestern Abend. Einmal mehr bin ich begeistert von diesem Land (abgesehen vom Klima *grins*) und den Kanadiern. Mich wundert nicht mehr, warum MultiKulti in Canada so gut funktioniert. Sorry, in die Politik wollte ich jetzt eigentlich nicht kommen.

Noch ein Ausblick, auf den ich mich wahnsinnig freue. Vor wenigen Minuten ist in Toronto ein Flugzeug gestartet mit dem Ziel Edmonton, Alberta. Fünf Stunden dauert der Flug! So groß ist Kanada! In dieser Maschine sitzen unser Sohn, seine Frau und Tori. Das kleine Mädchen, das inzwischen ein halbes Jahr alt ist, haben wir noch nie in den Armen gehabt, immer nur am Bildschirm gesehen. Und ich sage euch, den Computerbildschirm küssen, ist ziemlich ernüchternd!

Gerade ist auch meine Frau schon (!!!) aufgewacht. Ich werde sie nicht fragen: „Warum?“

Ich weiß es. In ein paar Stunden geht’s zum Flughafen.

ICH jedenfalls werde zuerst meinen Sohn in den Arm nehmen. Es wird ein deftiger kanadischer Bear Hug werden. Er wird versuchen, seinen alten Vater auszuheben. Das wird ihm nicht gelingen ….

Dann werde ich meine Schwiegertochter ganz vorsichtig in den Arm nehmen (Ihr wisst schon, die von der Ontario Police!)

Und zum Schluss bekomme ich wahrscheinlich die Kleine in den Arm gelegt.

Da werden mir meine Hände wieder viel zu groß sein und ich werde mich selbst innerlich mit allen mir zur Verfügung stehenden Worten beschimpfen, doch nicht so sentimental zu sein.

Mist, ich glaube ich hätte einen Absatz früher aufhören sollen …